Erschienen im Jahre 2010, wird Red Dead Redemption noch heute als ein Meisterwerk angesehen. Auch ich habe mich nun etliche Stunden durch den Wilden Westen geschossen und John Marston auf seiner Reise begleitet. Damit bin ich erheblich spät dran, doch wo der zweite Teil bereits nächsten Monat erscheinen wird, ist es für mich trotzdem an der Zeit den legendären Open-World Titel einmal kurz unter die Lupe zu nehmen. Dabei ist mir ein Aspekt aufgefallen, den das Spiel wirklich gut macht: Die Nebenmissionen.
Besonders in Open-World Titeln sind diese zu finden. Missionen, die außerhalb der Hauptstory für viel Spaß sorgen sollen. Es ist zu verführerisch alles stehen und liegen zu lassen und anstatt eine Stadt oder ein Land zu retten, sich lieber auf die Suche nach sammelbaren Objekten zu begeben.
Rein im Kontext des Charakters, den man spielt und der eigentlichen Geschichte, die man gerade verfolgt, ist das natürlich völliger Unsinn.
Prokrastination wird groß geschrieben
Nehmen wir zum Beispiel die Far Cry-Reihe, genauergesagt das dieses Jahr erschienene Far Cry 5. Eine Sekte beherrscht das Land, die Leute leben im Chaos, Menschen werden auf der Straße erschossen, doch der Spieler entscheidet sich, anstatt die Bürger zu befreien und Frieden zu stiften, lieber auf die Jagd nach Comicheften zu gehen oder zu angeln. Das ist beinahe absurd, richtig?
Auch der jetzt erschienene Superhelden-Titel Spider-Man bedient sich dieser Nebenmissionen-Formel. So ist die ganze Karte übersät mit Sammelobjekten wie Rucksäcken oder Gebäuden die man abfotografieren kann. Doch ist das noch nicht genug, zum Nebenmissionen-Spaß kommen noch Baustellen, Lagerhäuser und andere Outposts, die von Gegnern befreit werden sollen, Challenges, Forschungsstationen, und und und.
Die ganzen Nebenaktionen in diesem Spiel sorgen eher für einen Verfall des Spielspaßes, als für eine wirkliche Bereicherung. Dafür gibt es kaum Nebenmissionen in Form von eigenen kleinen Geschichten oder in denen man auf neue Charaktere und Bewohner New Yorks trifft.
Nebenmissionen sollten im besten Falle Ergänzungen zum eigentlichen Spiel sein. Oftmals sind diese aber eher Ablenkungen. Um bei dem Spider-Man Beispiel zu bleiben: Ich prügele mich mit Spidey so lange durch New Yorks Stadtteile, bis ich die Hauptstory total aus den Augen verliere. Viel schlimmer sogar ist, dass ich dadurch, nach stundenlangem Hinterherjagen von namenlosen Bösewichten, gar keine Lust mehr auf die Story habe. Klar macht es Spaß und natürlich ist es ein wunderbarer Zeitvertreib und auch irgendwo befriedigend, wenn man alles geschafft hat, dennoch kommt es dem eigentlich sehr tollem und runden Spiel wenig zugute. Es ist keine Balance vorhanden.
In den meisten Open-World Titeln stehen die Nebenmissionen in krassem Kontrast zur Hauptstory. In den seltensten Fällen haben diese mit der Geschichte, die das Spiel erzählt viel zu tun. Der Held des Spiels scheint beinahe zwei Persönlichkeiten zu haben, auf der einen Seite ist er der allmächtige, düstere Problemlöser, der jeden rettet und auf der anderen Seite der sorgenlose Normalo, dem alles egal zu sein scheint, hauptsache er findet jedes Tongefäß oder anderen Krims-Krams, den die Welt zu bieten hat.
Die Welt als ganzes
Nehmen wir aber mal das Monstrum The Witcher 3, mit seiner riesigen Welt die auch viel zu voll mit Nebenaktivitäten ist. Dennoch stehen diese in der mittelalterlichen Fantasy-Welt in einem anderen Licht. So gibt es allerlei Hexer-Aufträge, die Geralt annehmen kann. Diese strecken zwar auch die Spielzeit, haben immer den gleichen Ablauf und lenken von der Story rund um Ciri und die Wilde Jagd ab, trotzdem machen diese Sinn. Warum? Weil diese zu Geralt und seiner Lebensweise passen. Geralt befindet sich zwar auf einem Abenteuer um seine Ziehtochter zu retten, muss sich aber trotzdem irgendwie den Weg durch das kriegsgebeutelte Land bahnen. Und dazu braucht er Geld, welches er durch das Abschließen der Hexer-Aufträgen bekommt. So stehen die Nebenmissionen in wunderbarem Einklang mit der Welt von The Witcher 3, dem Alltag von Geralt von Riva und sind dazu noch ein nettes Augenzwinkern zu den Abenteuern, die der Hexer in den Büchern und somit der Vorlage des Spiels erlebt.
Doch was ist jetzt mit Red Dead Redemption? Wieso sind die Nebenmissionen da so gut? Im Gegensatz zum Witcher, haben die Missionen wenig mit John Marstons Alltag zu tun. Dennoch integrieren sich diese hervorragend in das Spielgeschehen und in die Welt. Die Nebenmissionen findet man auf der Karte gekennzeichnet durch ein Fragezeichen. Entscheidet man sich dazu, dieses Fragezeichen ausfindig zu machen, trifft man in jedem Fall auf einen NPC, der in irgendeiner Form irgendein Problem hat. So trifft man auf neue Charaktere und einzelne Schicksale, denen man unter die Arme greifen kann. In den meisten Fällen enden diese Missionen zwar immer im Tod von jemand anderem, trotzdem sind diese kurzen Geschichten toll geschrieben und erfrischend. Durch diese erfährt man mehr über das Amerika im Jahre 1911, ohne dass sie schleppend oder uninteressant werden. Manche dieser Kurzgeschichten nehmen sogar direkten Einfluss auf John Marston, beziehungsweise lassen einen großen Interpretationsfreiraum, wie zum Beispiel der mysteriöse Mann mit Hut, der John Marston besser zu kennen scheint, als er sich selbst. In diesen Nebenmissionen spielt man zwar mehr oder weniger auch nur den Dienstboten, dennoch bleiben diese dem Charakter des spielbaren Helden treu. John Marston ist kein böser Mensch, er ist jemand der viel böses begangen hat und jetzt nach der Suche nach Erlösung und einem Wiedergutmachen seiner Fehler ist. Zudem ist er sehr hilfsbereit mit eigener Familie, demnach ist es nur klar, weshalb er einer jungen schwangeren Frau ohne Mann und ohne Geld hilft.
Bei Red Dead Redemption gibt es keinen Kontrast zwischen Hauptstory und Nebenmissionen. Die Nebenmissionen haben alle eine Daseinsberechtigung, eben weil es viele Probleme in einer schwierigen Welt, wie sie das Spiel hat, gibt. Sie entzweihen nicht das Bild des Hauptcharakters, denn John Marston bleibt John Marston, egal wem er jetzt unter die Arme greift. Jede der Nebenmissionen handelt von einem anderen Schicksal und so trifft man auf sympathische Charaktere oder merkwürdige Kreaturen. Das bietet viel größeren Mehrwert, als belanglose Konfrontationen mit Gegnern, mit denen man es in der Hauptstory schon zu genüge zu tun hat. Dazu sind diese noch sehr gut verteilt und nicht in übermäßigem Ausmaß vorhanden. So wird der eigentliche Spaß an der Story nicht ausgebremst und man kommt man sich niemals überfordert vor.
Ich bin gespannt auf die offene Welt vom zweiten Teil von Red Dead Redemption und was diese so für Geschichten erzählen wird.
Wie seht ihr das? Mögt ihr Sammelobjekte und viele Nebenmissionen? Spielt ihr diese gar lieber als die Hauptstory? Und kennt ihr weitere Spiele, die die nebensächlichen Aktivitäten gut handhaben? Lasst es mich wissen!
Du hast Lust auf Red Dead Redemption oder musst es so wie ich noch kurz vor Release des zweiten Teils nachholen?
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