Die Freude an Indie-Games

[Gastartikel] 
Starten wir frisch in den August mit einem Gastbeitrag. August ist Gamescom-Montat und schon wie zur E3-Zeit bevor, werden große Publisher wieder mit noch größeren und neueren Titeln um sich werfen. Doch was ist mit einer anderen Nische von Spielen?

Es schreibt für euch Niklas über überambitionierte Entwickler mit ganz eigenen Ideen – Wieso sich immer mehr Gamer mit der Luna Lovegood der Gaming Industrie beschäftigen.

Niklas beschäftigt sich gerne mit Serien, Spielen und Büchern. Aber auch Aufklärung im Mental Health Bereich ist ihm sehr wichtig. In seiner Zukunft wäre er am liebsten nicht ganz so planlos wie jetzt. Die größte Freude und Leidenschaft hat er aber an Indie-Games. Bald startet er auch seinen eigenen Blog, zusammen mit seinem Bruder. 


Wenn die großen Namen wie „Battlefield“, „Assassin‘s Creed“ oder „Call of Duty“ auf den großen Leinwänden der E3 erscheinen, schlagen zehntausende Gamerherzen höher. Oft folgt nach einer erwartungsvollen Stille ein tosender Applaus und ein Hype, der noch die Monate nach der großen Spielemesse überstehen wird. Die Titel, die in meine Augen das gleiche Glitzern zaubern, sind nicht die großen Triple-A’s von EA und Co. Als die sichtlich aufgeregte Frau mit dem Kraftwerk T-Shirt und dem deutschen Akzent von ihrem Spiel „Sea of Solitude“ zu schwärmen begann, war meine E3 schon gerettet. Von den unangebrachten Zwischenrufen nach FIFA während der Präsentation lässt sich die ambitionierte Chefin des kleinen Berliner Studios nicht aus der Ruhe bringen. Leider sind Indie Titel für viele nur Lückenfüller, für andere, wie mich, sind es jedoch die frappierenden Überraschungen.

SoS
Bild: Jo-Mei Games

Independent, also von großen Publishern unabhängig, das sind die Schöpfer von „Sea of Solitude“ eigentlich nicht. Dass man dieses Spiel überhaupt zu Gesicht bekommen hat, ist eigentlich nur der Tatsache zuzuschreiben, dass das kleine Team aus Berlin Teil des Publishergiganten EA wurde. Independent, das bedeutet in den meisten Fällen, dass ein Entwicklerstudio mit sehr wenig Geld, oft über Plattformen wie Kickstarter finanziert, ein Spiel entwickelt. In vielen Fällen führt das zum Aus für Spiele, noch bevor eine Alpha entstehen kann. So habe ich mich auf der Gamescom in Köln letztes Jahr in Jengo verliebt, ein Point-and-Click Adventure bei dem schon nach der Demo und spätestens nach dem Gespräch mit den Entwicklern klar war, wie viel Herzblut schon jetzt in dem Spiel steckt.

Jetzt hängt die Zukunft dieses Spiels in der Schwebe, nachdem die Crowdfunding Kampagne nicht genug Geld eingespült hat.

Wo manche Triple-A-Titel in Trailern mit umwerfender Grafik überzeugen, bedienen sich Spiele von unabhängigen Entwicklerstudios technisch weniger aufwendigeren Genres wie JRPG und Point-and-Click. Spielegenres, die ohne Indiespiele vielleicht schon seit Beginn des OpenWorld und HD-Grafik Hypes ausgestorben wären.
Deshalb können sich auch Retro-Fans über die Arbeit der kleinen Firmen freuen.
Diese Unabhängigkeit kommt noch anderswo zur Geltung: 2017 veröffentlichte das Entwicklerstudio SnowCastle das Spiel Earthlock, Festival of Magic. Die Steambewertungen fielen mit etwa 65% nicht so gut aus, wie erhofft und auch das norwegische Team selbst war mit dem Umfang des Spiels unzufrieden. SnowCastle entschloss sich dagegen, die externe und eigene Unzufriedenheit zu ignorieren und investierte ein ganzes Jahr in die Überarbeitung mit Augenmerk auf die Kritik der Fans, ein großes finanzielles Risiko für die engagierte Crew. Wer würde für den Erfolg einer überarbeiteten Version garantieren?

Earthlock
Bild: Steam

Warum nicht einfach mit dem nächsten Spiel weitermachen? Die gleiche Vernarrtheit in die eigenen Arbeit, hätten sich nicht nur die Fans von Star Wars Battlefront 2 letztes Jahr gewünscht.
Wenn sich die Entwickler tatsächlich für das Spiel und die Kritik der Spieler interessieren, dann ist man versucht, sich zu fühlen als wäre man auf einer einsamen Indie-Insel, fern von dem Trend der teuren DLCs und Ingame-Käufen.  Leider hat diese Insel auch eine Schattenseite. Besonders offensichtlich wird das im Sommerloch der Videospielindustrie, wenn Trash-Games, die gezielt darauf programmiert werden, YouTuber und deren Zuschauer zu bedienen, Steam überfluten. Der Holzfällersimulator und Muddy Heights, ein Spiel in dem man Passanten voll koten muss, sind nur zwei von vielen traurigen und leider oft erfolgreichen Versuchen mit möglichst wenig Ausgaben möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften.

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Bild:nadyn.biz

Es gibt aber auch Entwickler die mit der Herausforderung “geringes Budget“  besser umgehen. Bei den meisten Indie-Titeln steht eine möglichst einzigartige Idee im Vordergrund. Um das gewünschte Spielgefühl zu vermitteln, sind finanziell selten Rollenspiele mit hochauflösender, realistischer Grafik möglich.  Deshalb müssen die kleinen Studios kreativ werden. Wo sich ein „Assassin‘s Creed“ neuer Grafik aber gleichem Spielprinzip bedient, steht beim Indie Spiel die individuelle Idee und deren Umsetzung im Vordergrund.
Eindrucksvoll bewiesen hat das This War of Mine. Dabei bedienen sich die Entwickler eher simplen Mittel wie einer schwarz-weiß Grafik, gnadenlos schwerem Gameplay und minimalistischer Musik um eine unangenehme Stimmung zu erzeugen, die den Spieler emotional mitnimmt. Konfrontiert mit Entscheidungen wie „Soll ich meine Medizin zwei Kindern für ihre Mutter überlassen?“ und „Kann ich ein altes Pärchen ausrauben um meine Truppe durchzubringen?“ schafft das Entwicklerteam einen Zugang zu einem moralisch schweren Thema. Und auch das ist nur ein Beispiel von vielen Spielen aus dieser Nische, die ernstere Themen erreichbarer machen.

Microsoft Studios
Bild: Microsoft

Wie sieht die Zukunft dieser Nische aus? Auf  der E3 kündigte Microsoft die Übernahme von 5 Studios an, unter anderem das Studio “Ninja Theory“ verantwortlich für Hellblade: Senuas Sacrifice (Anm. d. Red. Hier gibt es ein Review), einer der großen Überraschung des letzten Jahres. Und  EA unterstützt weiterhin Coldwood Entertainment, das Studio das Unravel 2 auf der E3 nicht nur ankündigte, sondern überraschend sofort veröffentlichte. Für die Teams die noch unabhängig sind hatte Steam schon letztes Jahr im Juni eine kleine Überraschung parat. Von ihrem Programm für Neuzugänge “Steam Greenlight“ wechselte Valve zu “Steam Direct“. Jetzt müssen Studios ihre Spiele auf Steam nicht mehr vorstellen und auf die Zustimmung einer festgelegten Anzahl von Spielern warten. Ein Hindernis weniger für die Entwickler von Indie- und Trash-Games. Und wie sieht es mit Earthlock aus?  Die Bewertungen auf Steam haben sich auf mehr als 85 Prozent eingependelt, auch die Entwickler zeigen sich zufrieden. Es ist nicht nur ein Release auf der Nintendo Switch vorgesehen, sondern auch noch ein zweiter von drei geplanten Teilen. Und auch die Entwickler von Jengo kündigen auf ihrer Crowdfunding Seite an, dass es trotz unzureichender Summe irgendwie für Jengo weitergeht.

Egal ob Arcade oder Survival, Indie-Games sind oft durch mangelndes Budget und dem Druck nach Individualität dazu gezwungen, ihre eine Idee so gut wie möglich auf den Punkt oder eher auf den Pixel zu bringen. Dadurch können sie oft nur eine Sache, die dafür richtig gut.
Das macht auch das interessant, stundenlange Stöbern  nach Indie-Perlen so schwer. Es gibt sehr viele, sehr unterschiedliche Titel, mit grundverschiedenen Ideen, Botschaften und Umsetzungen. Aber wenn man sich auf Spiele zwischen knallbunter oder düster schwarz-weißer Grafik, actiongeladenem Arcadegameplay oder ernstem  Überlebensimulator einlassen kann, haben diese oft verrückten Titel eine Perspektive zu bieten, die  eine Open World mit 4k Grafik und Millionen von Quest nicht hat.


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About Marina

Studiert irgendwas mit Medien. Spielt am liebsten auf der PS4, liebt alles was eine dramatische Story hat, am liebsten aber Games mit bärtigen und grummeligen Männern. Ist auf Twitter am coolsten. Chefin bei dieletztevoneuch.de. PR-Mensch bei GameNotify.

One thought on “Die Freude an Indie-Games

  1. Ich kann mich noch an meinen ersten Kontakt mit Indie-Spielen erinnern. Das war 2013 auf der Gamescom mit dem Indie Arena Booth. Damals war das noch kein riesiger Stand mit Dutzenden Entwicklern, sondern nur ein langer Aufbau aus Spanplatten mit Computern daran. Und ich war begeistert, was solch kleine Teams leisten können. Und das bin ich bis heute.
    Letztes Jahr auf der Gamescom habe ich mich am Samstag fast anderthalb Stunden mit einem dem Chef eines kleinen, italienischen Entwicklerstudios unterhalten. Er hat mir erzählt, dass einige Mitarbeiter zuvor an Spielen wie Assassin’s Creed, Uncharted oder The Last of Us mitgewirkt haben. Und zugegeben, die dort spielbare Demo sah fantastisch aus und verknüpfte Story und Spielmechanik auf eine geschickte Art. Letztlich sollte der Spieler selbst mittels einer App als Charakter Einfluss nehmen können.
    Man konnte wirklich die Begeisterung spüren, die er für dieses Projekt hatte. Umso erstaunlicher (und leider auch erschreckender) fand ich es, dass in der Zeit, in der ich mit ihm sprach, niemand an den Stand kam, um es zu spielen, obwohl es einer der interessantesten Titel auf der Seite des Standes gewesen ist. Außerdem gibt es bis heute kein neues Update zur Entwicklungsstand dieses Spiels. Ich fürchte fast, dass es, wie so oft, an der Finanzierung gescheitert ist, wenngleich ich noch einen Funken Hoffnung habe, dass es vielleicht doch weitergeht.

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