Der dritte Teil, der auf den „Metro“ Büchern von Dmitri Alexejewitsch Gluchowski basierenden Spielereihe führt Artyom und seine Crew erstmals aus den klaustrophobischen Engen der russischen Metro hinaus, an die von einem Atomkrieg weitestgehend zerstörte Oberfläche des Landes. Artyom, als der Abenteurer und Visionär der er ist, träumt von einem Leben außerhalb der Tunnel, einem sicheren Ort an der frischen Luft, an dem er und seine Ehefrau Anna alt werden können.
Ob der Roadtrip durch das zerstörte Russland zu diesem weit entfernten Ziel so traumhaft ist, das lest ihr jetzt in der Review zu: Metro Exodus.
Roadtrip durch die Apokalypse
Wenn sich eine neue Welt auftut, die sich von allem bisher bekannten unweigerlich unterscheidet, wirkt es wie eine Offenbarung. Wenn das Verfolgen des Traumes, den diese neuen Welt verspricht, aber erfordert, das bisher bekannte und vielleicht geliebte aufzugeben um einen Schritt in eine dunkle, noch unbekannte Richtung zu gehen, bringt das viel Skepsis und Gegenwind ein. Artyom ist dafür gewappnet, so hat er nicht nur einmal den Schutz der heimeligen Metro verlassen, um zu erforschen was über ihm und seiner Crew liegt und so hat er sich nicht nur einmal einem großen Risiko ausgesetzt, was ihm Ärger mit seinem Colonel und Schwiegervater Miller eingebracht hat.
Doch er ist sich sicher, er hat diesen Traum, dass außer ihnen in der Metro noch andere Menschen den Atomkrieg überlebt haben.
Aufgrund seiner Ambitionen und unglücklichen Zufällen hin, befindet er sich kurzerhand mit seiner Frau, dem Colonel und einer kleinen Crew von Freunden und Kollegen auf einer alten Dampflock um seinem Ziel, seinem Traum, näherzukommen. Doch die Welt von Metro Exodus ist hart und Vorräte sind knapp. So ist die Crew rund um Artyom immer wieder gezwungen auf ihrer Fahrt Zwischenstops einzulegen, um etwa neue Kohle für die „Aurora“, wie sie ihren Zug getauft haben, zu besorgen oder feindliche Gegenkräfte aus dem Weg zu schaffen, die sich ihnen entgegen stellen. Jedes Crew-Mitglied muss sich daraufhin irgendwie nützlich machen. Man stürzt sich dann also, ausgestattet mit einer To-Do Liste voller Missionen die erledigt werden müssen, ins Getümmel der Open-World von Metro Exodus, die von einem verlangt, erkundet zu werden.
Die Gebiete, die man so kennenlernt könnten abwechslungsreicher und interessanter kaum sein. Man durchstreift Flussgebiete, Wüsten, verlassene Städte und Wälder, wobei alle ihre eigene Atmosphäre und ihren eigenen gewissen Charme versprühen. Die Optik, die Art wie das Sonnenlicht durch die Bäume fällt und der Detailreichtum mit dem die Welten ausgestattet sind, ist wirklich toll und wunderhübsch anzusehen. Auch die Wettereffekte und der dynamische Tag- und Nachtwechsel sorgen für das richtige Feeling in der Welt von Metro Exodus. Beim Erkunden dieser sollte auch gut überlegt sein, zu welcher Tageszeit man loszieht. Wo bei Nacht die zahlreichen Banditen und Gauner der Welt vielleicht ruhiger sind, hat man es dafür mit mehr und aggressiveren Mutanten zu tun. Zieht man lieber im Schutz des Tageslichts umher, kann man nachts in kleine Unterschlüpfe einkehren und ein Nickerchen halten, bis es wieder hell wird.
In den Unterschlüpfen gibt es meist auch eine Werkbank, an der man etwa Medkits, Munition, Molotov-Cocktails herstellen oder sich um seine Waffen kümmern kann. Das Waffen-Upgrade System ist dabei großartig und interessant gestaltet. So kann man sich bei gefundenen Waffen entscheiden, ob man sie so im Ganzen mitnehmen oder lieber zerlegen will, um die Einzelteile wie vergrößerte Magazine, rote Laser oder etwaige Scopes an eine andere Waffe ranzubasteln.
Immersion hat seinen Preis
Das Gefühl des Haushaltens über sein Inventar gibt einem das genau richtige Survival-Feeling. Munition, Filter für die Gasmaske, Medkits, Granaten sind knappes Gut und gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden, wo von all dem noch weniger vorhanden ist, will sich gut überlegt sein, wie man seine Ausrüstung am besten einsetzt. Dabei gibt es Dynamiken, wie das Spiel mit der Gasmaske, die zusätzlich einiges an Immersion erzeugen. Wenn die Gasmaske von Blut und Matsch beschmutzt wird, wischt man sie mit einer schnellen Handgestik sauber. Wenn sie zerbricht, flickt man sie notdürftig mit einem Streifen Klebeband, wenn der Filter langsam den Geist ausgibt, hat man hoffentlich noch genug andere dabei um ihn auszutauschen.
Genauso wie diese Dynamik, gibt es aber auch andere, die Immersion erzeugen sollen, im Endeffekt aber einfach nur unglaublich nervig sind und den Spieler behindern. Wie von Red Dead Redemption II bekannt, können auch in Metro Exodus die Waffen dreckig werden. Wenn sie dreckig sind, ist die Chance höher, dass sie sich verklemmen. Dumm nur, wenn das während einer Action-Sequenz passiert, in der etliche Mutanten oder menschliche Gegner auf einen einstürmen. Dümmer ist, dass man seine Waffen nur an Werkbänken säubern kann. Und diese sind nicht häufig gesät.
Das Gunplay selbst ist spaßig, die vielen verschiedenen Waffen erlauben unterschiedliche Herangehensweisen im Combat und man hat das Gefühl, dass die Schüsse sitzen. Leider trifft man häufig auf eine grenzdebil anmutende oder total unberechenbare KI. Stellenweise verhalten sich Gegner total dämlich, laden ihre Waffe vor einem in der Hocke nach, bemerken einen nicht, wenn man direkt vor ihnen steht und ihnen ins Gesicht glotzt und an anderen Stellen riechen sie es Kilometer weit, wie man in einem Busch sitzt und alarmieren ihre Kollegen. Auch ist das Gegner-Design ziemlich einfältig, so kann man rein vom optischen gesehen her kaum unterscheiden, ob man es nun mit herkömmlichen Banditen oder religiösen Fanatikern zu tun hat. Die Mutanten sind dafür umso furchteinflößender.
Als ein großer Fan von langsamerem Gameplay und einer gewissen Schwere und Trägheit habe ich dieses auch bei Metro Exodus sehr begrüßt. Leider weiß man stellenweise nicht, was das Spiel einem vermitteln will. Will es ein langsames, atmosphärisches Erlebnis sein, oder will es ein actiongeladener FPS sein, mit schnellen Sequenzen, viel Explosionen und Krawall. Eins ist klar: Die Balance dazwischen wird hier nicht sonderlich gut gehalten, gerade in den schnellen, linearen Abschnitten der Story steht sich das Gameplay oft selbst im Wege und fühlt sich sehr eingeschränkt, sehr limitiert in seiner Bewegungsfreiheit an. Man will oft losrennen und sprinten und sich der Action um einen herum anpassen, kommt aber nicht so richtig vom Fleck, was sich sehr frustrierend anfühlt.
Ein stummes Vergnügen
Auch wie beim Gameplay und den zahlreichen Dynamiken gibt es beim Storytelling in Metro Exodus Bereiche, die gut funktionieren und diese, die kläglich scheitern und die Waage des Gesamtbildes ins Negative ziehen.
Die fragwürdigste Entscheidung hierbei liegt definitiv dabei, dass Artyom wie auch in den Vorgängern (wie ich mir hab sagen lassen), ein stummer Hauptcharakter ist. Fragwürdig deshalb, weil es sich mir nicht erschließt, wie man eine ordentliche Geschichte erzählen und erreichen will, dass der Spieler sich mit dem Hauptcharakter auseinandersetzen und ein Gefühl für ihn und seine Familie entwickeln kann. Noch fragwürdiger ist es angesichts der Tatsache, dass Artyom durchaus eine Stimme hat, man diese aber nur in den (oftmals viel zu langen) Ladebildschirmen zu hören bekommt. Ein Balanceakt ist auch, wie die NPCs mit Artyoms Verschwiegenheit umgehen. Manchmal tun sie so als hätte Artyom tatsächlich nichts gesagt und an anderen Stellen reagieren sie auf etwas…scheinbar gesagtes von ihm?
Als Spieler kommt man sich da oft veralbert vor. Wieso darf ich am Controller nicht das hören, was Artyom scheinbar eben zu seiner Ehefrau gesagt hat? Was hören die NPCs, was ich nicht mitbekommen darf? Besonders ulkig und abstrus sind dann noch die Stellen, wo die Truppe rund um Artyom noch Witze über dessen Stummheit reißt oder sie sich auf seinen zahlreichen Erkundungen der Welt per Walkie-Talkie melden und wirklich erwarten, dass sich Artyom zurückmeldet, er aber nicht mal ein müdes „Copy that“ oder „I’m still alive“ von sich geben kann. Diese Momente sind unangenehm, merkwürdig und hinterlassen einen faden Beigeschmack.
Auch in Sachen Voice-Acting, Mimik und Gestik und Persönlichkeit der Besatzung der Aurora und den Menschen rund um Artyom kann Metro Exodus nur so mittelmäßig überzeugen. Viele Dialoge (oder Monologe, weil Artyom ja nie mitredet) wirken hölzern und steif geschrieben und leider auch so vertont. So kommt keine richtige Liebe und Bindung zu den Charakteren auf, man lernt diese gar nicht richtig kennen und wenn einer durch irgendwelche Umstände das Zeitliche segnet, kann man aufgrund von fehlender Nähe zu diesen Charakteren gar nicht wirklich mittrauern. Oftmals hat man nichtmal die Namen von den Personen im Kopf, sie sind einfach irgendjemand, auf einer Fahrt irgendwohin.
Lediglich in den kurzen Momenten zwischen den jeweiligen Kapiteln, wo man sich im Zug befindet, mit seiner Frau Anna im Arm in der vertrauten Kabine eine Pause einlegt, wo man sich die Gitarre schnappen kann, mit seinen Kumpels einen Schnaps trinkt oder mit seinem Schwiegervater eine aus altem Zeitungspapier bestehende Zigarette raucht, wo man oben auf dem Zug steht und die an einem vorbeiziehende Welt anschaut, zeigt Metro Exodus, welches Storytelling-Potenzial wirklich vorhanden ist. In diesen Momenten kommt eine liebevolle und vertraute Atmosphäre auf, eine Atmosphäre des Abenteuers und man kann kaum erwarten, wohin einen die Reise als nächstes führt.
Das Endergebnis? Ein Drahtseilakt.
Metro Exodus ist ein Balanceakt durch und durch. Es gibt so viele Stellen, die im Spiel wirklich gut funktionieren, das Zusammenspiel von Open-World und linearen Leveln ist passend und wirkt gut umgesetzt, die Gegenden an sich wirken detailliert, mit einer dichten Atmosphäre, man hat Spaß daran die Welt von einem Spiel zu erkunden, das einen niemals durch eine Mini-Map oder auffallend gesetzten Quest-Markern bei der Hand nimmt und das Gameplay an sich ist stimmig und befriedigend. Auf Story-technischer Ebene funktioniert Metro Exodus hingegen selten bis gar nicht und auch von den (von mir schlimmer als angenommenen) Horror-Elementen in voller Dunkelheit, mit Mutanten, Bären und anderem Viehzeug, das einem an den Fersen klebt muss man ein Fan sein. Ist man das aber, wird man mit einem stimmungsvollen First-Person-Shooter belohnt, in der postapokalyptischen Welt von Russland.
Für dieses Review wurde mir ein Test-Muster zur Verfügung gestellt. Vielen Dank an der Stelle an Koch Media für die Zusammenarbeit! Die Bemusterung hat zu keiner Zeit zu einer Beeinflussung der Berichterstattung geführt.